Wir freuen uns außerordentlich, bekannt zu geben, dass sowohl Diane Rekow als auch Lukas Kunz die Gewinner des NWG Schilling-Forschungspreises 2025 sind. Beide haben die Jury jeweils mit ihren herausragenden Leistungen derart beeindruckt, dass die Entscheidung getroffen wurde, den Preis zum ersten Mal in der bisherigen Laufzeit der Vergabe zu teilen.
Photo: vegeldaniel.com
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Der Schilling Forschungspreis der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft 2025 geht an Diane Rekow, Post-doc und Alexander von Humboldt-Stipendiatin in der Biologischen Psychologie der Universität Hamburg. Diane Rekow nutzte die Elektroenzephalographie (EEG) beim Menschen und hier vor allem ein als „frequency tagging“ bezeichnetes spezielles Verfahren, um die Rolle des mütterlichen Körpergeruchs für die Gesichtswahrnehmung bei Säuglingen zu untersuchen. Sie entdeckte, dass der mütterliche Geruch bei 4 Monate alten Säuglingen spezifisch die gesichtsselektive visuelle Verarbeitung verstärkt. Dieser Einfluss war umso stärker, je schwächer die rein visuelle neuronale Antwort der Säuglinge war. Diane Rekow konnte außerdem zeigen, dass der Einfluss des Geruchssinns auf die Verarbeitung von Gesichtern nach dem 4. Lebensmonat bis zum Ende des ersten Lebensjahres abnimmt. Damit lieferte sie entwicklungsneurowissenschaftliche Evidenz für das als “inverse effectiveness“ bekannte Prinzip der multisensorischen Integration, dem zu Folge crossmodale Einflüsse umso stärker sind je schwächer die die unisensorische Wahrnehmung ist. Die Geruchswahrnehmung, so spekuliert Diane Rekow übernimmt möglicherweise eine Bahnungsfunktion, durch den die Sensibilität in visuellen neuronalen Netzwerken während der frühen Entwicklung erhöht wird. Diane Rekow konnte damit zeigen, dass schon Säuglinge mehrere Sinneseindrücke (wie Geruch und Sehen) zu einer kohärenten multisensorischen Wahrnehmungen zusammenfügen können und dies für komplexe Reize wie Gesichter. Trotz der geringer werdenden Rolle des Geruchssinns für die Gesichtswahrnehmung, begünstigen, so weiter Forschungsergebnisse von Diane Rekow, Körpergerüche auch bei Erwachsenen die gesichtsselektive Aktivität im Gehirn. Die bei Erwachsenen parallel erhoben Verhaltensdaten sprechen sogar für einen direkten Einfluss der Geruchsinns auf die die bewusste visuelle Wahrnehmung. Insgesamt unterstreichen die Forschungsergebnisse von Diane Rekow die große Bedeutung des Geruchsinns für die Entwicklung und Funktion des visuellen Systems und tragen zum Verständnis typischer und atypischer sensorischer Entwicklung bei. Diane Rekow schloss ihre Promotion in Psychologie und ihre erste Postdoc-Phase an der Universität von Bourgogne in Frankreich ab. Anschließend wechselte sie mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium an die Universität Hamburg, wo sie ihre Forschung im Bereich kognitive Entwicklungsneurowissenschaften u.a. mit klinischen Gruppen fortsetzt.
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Der Schilling Forschungspreis der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft 2025 geht an Lukas Kunz, Juniorprofessor und Arbeitsgruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn. Räumliche Navigation und räumliches Gedächtnis sind zentrale Bestandteile unseres täglichen Lebens. Die zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen im menschlichen Gehirn sind jedoch bislang nur unzureichend erforscht. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse würden unser Verständnis des menschlichen Gehirns erweitern und Einblicke in die Ursachen von Gedächtnisverlust und Orientierungsstörungen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit ermöglichen. Lukas Kunz erhält den Schilling Forschungspreis der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft 2025 für seine Arbeit zu den neuronalen Grundlagen der räumlichen Navigation und des räumlichen Gedächtnisses im Menschen. Seine Forschung stützt sich auf die einzigartige Möglichkeit, die Aktivität einzelner Nervenzellen während räumlicher Gedächtnisaufgaben in Epilepsiepatient:innen aufzuzeichnen – eine Methode, die nur an wenigen spezialisierten Epilepsiezentren weltweit möglich ist. Durch diese Einzelzellableitungen konnte er zeigen, dass Nervenzellen im menschlichen Schläfenlappen Richtungen und Distanzen während der räumlichen Navigation repräsentieren. Zudem fand er Hinweise darauf, dass Hirnoszillationen bei der Einspeicherung und beim Abruf räumlicher Gedächtnisse die Aktivität einzelner Nervenzellen koordinieren, welche die räumlichen und bildlichen Inhalte dieser Gedächtnisse kodieren. Darüber hinaus konnte er in translationalen Studien mittels funktioneller Magnetresonanztomographie zeigen, dass ein erhöhtes Risiko für die Alzheimer-Krankheit mit veränderten Hirnaktivierungsmustern während räumlicher Navigationsaufgaben einhergeht. Diese Ergebnisse tragen dazu bei, das grundlegende neurowissenschaftliche Verständnis von räumlicher Navigation und Gedächtnis beim Menschen zu vertiefen. Gleichzeitig könnten sie zur Entwicklung früher Biomarker neurodegenerativer Erkrankungen beitragen. Lukas Kunz studierte Medizin und Philosophie an der Universität Bonn und promovierte in Medizin und Biologie an den Universitäten Bonn und Freiburg. Im Anschluss an seine Promotionen forschte er am Universitätsklinikum Freiburg und an der Columbia University in New York City. Seit 2023 ist er Arbeitsgruppenleiter und Juniorprofessor für kognitive und translationale Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Bonn. |